Fuzzy-Logic-Anwendungen beim BMW-Werk in Regensburg

Computerwoche 25/2000

Die Reihenfolge entscheidet über den Produktionsaufwand

von Eva-Katharina Kunst

Einerseits will das BMW-Werk Regensburg seine Produktionsanlagen möglichst gleichmäßig auslasten; andererseits verlangen die Umrüstzeiten der Anlagen danach, Autos mit gleichen Karosserie- und Ausstattungsmerkmalen hintereinander zu fertigen.

Ein Fuzzy-Logic-System hilft, den Konflikt zwischen unterschiedlichen analogen Eingangsgrößen zu lösen.

Die Anfänge des Fuzzy-Einsatzes bei der Münchner BMW AG liegen schon sieben Jahre zurück. Damals suchte die Produktionsplanung eine Alternative zur Festlegung der Montagereihenfolge bei der 3er-Serie. Im Regensburger Werk des Automobilherstellers werden mehr als 40 Varianten dieses Fahrzeugtyps hergestellt – angefangen vom 316 mit Basisausstattung bis zum M3 mit allem denkbaren Sonderzubehör.

Die Arbeitsschritte zum Bau der jeweiligen Fahrzeuge sind sehr unterschiedlich. Deshalb muss die Produktionsplanung die Montagereihenfolge so festlegen, dass alle Fertigungsbereiche nahezu gleichmäßig ausgelastet werden. Doch damit nicht genug: Zusätzlich sollen Karossen mit gleichen Merkmalen möglichst hintereinander, also im "Pulk" (BMW-Jargon) gefertigt werden, um den Umstellungsaufwand bei den Anlagen zu minimieren. "Beim Farbwechsel in der Lackiererei muss beispielsweise immer ein Spülvorgang eingeleitet werden", erläutert Systemanalytiker Hubert Pammer. "Das bedeutet Zeit- und Materialverlust." Durch möglichst große Pulks lässt sich dieser Verlust, so der BMW-Manager, minimieren.

1993 verwendete BMW dazu noch ein hierarchisches "Trichter- Modell", das eine fest programmierte Bearbeitungsreihenfolge in mehreren Stufen vorsah. Auf jeder Stufe wurden die Aufträge zurückgehalten, die die Vorgaben einer Kriteriumsklasse nicht erfüllten. Die obere Stufe des "Trichters" war jeweils wichtiger als alle nachfolgenden -und zwar ohne Ausnahme. Ausgewählt wurde dann der letzte verbleibende Auftrag.

Für die vielen teilweise konkurrierenden und sich widersprechenden Ziele ist es aber schwierig, den besten Kompromiss zu finden. Die Fuzzy-Technologie bietet hier eine Lösung für das mit einfachen mathematischen Gleichungen nicht zu berechnende Problem. "Es werden Abwägprozesse implementiert, die nach den Prinzipien des menschlichen Denkens ablaufen, aber im Gegensatz dazu nicht nur fünf bis zwölf Kriterien bewerten, sondern 120 bis 150", beschreibt Rudolf Felix, Geschäftsführer der Fuzzy Logic Systeme GmbH, Dortmund, die Funktionsweise seiner Software "Fuzzy-Decision-Desk". Der Einsatz dieser Lösung ermöglicht es dem Anwender, jede Anforderung mit vorgegebener Priorität wirksam werden zu lassen.

Da der M3 sehr viel Arbeitsaufwand erfordert, ist es beispielsweise unerlässlich, zwischen zwei Autos dieser Modellreihe eine Mindestanzahl anderer Fahrzeuge zu fertigen.

Ein weiteres Beispiel: Bei 400 zu montierenden Klimaanlagen und einer Tagesproduktion von 800 Autos ist es im Sinne der gleichmäßigen Verteilung von Arbeitsauslastung ideal, in genau jedes zweite Auto eine Klimaanlage einzubauen. Insgesamt sind für die Einsteuerung in die Montage über 100 Zielkombinationen zu berücksichtigen. Lautet die Anforderung: "Achte zuerst auf die Mindestabstände der M3, dann auf die Stückzahlerreichung bei den Cabrios, dann auf die Gleichverteilung der Klimaanlagen und zuletzt auf die Mindestabstände der Anhängerkupplungen", so untersucht und bewertet die Software alle Alternativen und schlägt eine Montagereihenfolge vor.

Der Entscheidungsprozess ist transparent: Die Auswertungen werden mitprotokolliert und ausgegeben. So ist BMW Regensburg denn auch mit der Fuzzy-Lösung zufrieden. Der Algorithmus reagiert, so die Ingenieure, plausibel auf die Vorgabe und Gewichtung der Ziele. Dennoch beurteilt Pammer den Einsatz von Fuzzy-Logic realistisch: "Ein rasantes Ansteigen der Nutzung von Fuzzy-Algorithmen" werde es wohl nicht geben. "Aber speziell für Probleme mit mehreren analogen Eingangsgrößen ist die Technologie sehr geeignet." Die gegenwärtig verwendete Lösung ist außerdem noch nicht ausgereizt. Zur Zeit prüfen die Regensburger den Einsatz einer weiteren Eingangsgröße auf seine Fuzzy-Tauglichkeit: Indem die Terminsituation für die jeweiligen Aufträge berücksichtig wird, sollen sich die Lieferzeiten verkürzen.