Ausgleichende Kraft

process, Ausgabe 10/2002

Ausgleichende Kraft - Fuzzy-Logic in der Automatisierung verfahrenstechnischer Prozesse

von Herbert J. Joka

Immer mehr Produktionsanlagen werden von vornherein auf eine höhere Flexibilität hin ausgelegt, um bedarfsorientierter betrieben werden zu können. Diesen Vorteil erkauft man sich aber nicht selten mit aufwändigen DV-Lösungen. Mit "Qualicision" ist eine Software entwickelt worden, deren Stärke es ist, gerade mit konstant wechselnden Anforderungen und analytisch nicht präzise beschreibbaren Verfahrenstechnischen Prozessen und Komponenten zuverlässig umgehen zu können.

Eine erhöhte Flexibilität in der Produktion heißt zwangsläufig drastisch anwachsende Komplexität. Diese wiederum geht mit mehr Rechenoperationen einher, die zwangsläufig geeignete und stabile numerische Algorithmen erfordern. Ein Aspekt, der bereits bei der Auslegung von Anlagen zu berücksichtigen ist, um Prozesssicherheit und Betriebskosten im Griff zu halten. Eine effektive Methode der Führung von höchst flexiblen Produktionsprozessen verschiedenster Art, die Intuition und Präzision gleichermaßen zusammenbringt, ist die Steuerung mit Hilfe von Qualicision, basierend auf der Entscheidungssoftware Qualicision FDD®. Charakteristisch für die Software von der in Dortmund ansässigen FLS Fuzzy Logik Systeme ist, dass sie nicht auf dem üblichen Ansatz der Mess-, Steuerung- und Regelungs-Technik basiert. Anstatt die physikalischen Zusammenhänge mit Differentialgleichungen zu beschreiben und schließlich Linearisierungen vorzunehmen zu müssen, so dass Näherungswerte berechnet werden, steht bei Qualicision die Zielorientierung des Prozesses im Vordergrund. Das heißt, selbst komplexe Anlagen können nun als eine "Black Box" betrachtet werden, deren Innenleben nicht näher mit Differentialgleichungen beschrieben werden muss. Vereinfacht dargestellt, werden die Eingangs- und Ausgangsparameter kontinuierlich überwacht und analysiert. Zahlenwerte, Wertebereiche oder Aussagen werden während des Prozesses diagnostiziert und verglichen. Im Falle einer Abweichung von vorgegebenen Werten erfolgt prozesskonform die Ausregelung über die definierten Parameter. Durch die praktisch unbegrenzte Parametriesierbarkeit und die anwendungsspezifisch definierbaren Schnittstellen der Software ist es möglich, auch die Betriebszustände von nur mittelbar betroffenen regeltechnischen Organen innerhalb deren Kennwerte zu steuern.

Beispiel Mikroreaktoren

Ehrfeld Mikrotechnik in Wendelsheim nutzt die Qualicision®-Software Qualicision® FDD erfolgreich zum Betrieb ihres modularen Systems von Mikroreaktoren. Hierbei kommen würfelförmige und voll funktionsfähige Komponenten mit einer Kantenlänge von 25 Millimetern zu Einsatz, die Reaktionen und Prozesse chemisch-physikalisch durchführen. Bereits in der Konzeptions- und Auslegungsphase von verfahrenstechnischen Anlagen kann mit dem Baukasten-System festgestellt werden, ob bestimmte Prozesse in der angedachten Weise funktionieren. Mit der Qualicision Technik wird bei der Auslegung des Systems die räumliche Anordnungen und die Anzahl der aktiven und passiven Komponenten optimiert. Das Mikroreaktor-Baukasten-System bringt aber nicht nur erhebliche finanzielle und zeitliche Einsparungen in der ersten Phase der Entwicklung von kompletten Anlagen mit sich, sondern es erleichtert auch den Umgang mit Substraten. Die eingesetzten Mikrokomponineten benötigen nur Mengen, die aus Sicht der Großchemie fast schon als "homöopatisch" bezeichnet werden können und demzufolge die Kosten für Versuchs-Chemikalien spürbar senken. Müssen später möglicherweise toxische, hoch korrosive oder gar explosive Substanzen verarbeitet werden, so bietet das System den Vorteil des drastisch minimierten Experimentalrisikos. Qualicision sorgt dafür, dass die Mikro-Anlage realitätsbezogen und trotzdem zuverlässig gefahren werden kann.

Stabile Prozessführung

Für den Betreiber liegt der Nutzen der Qualicision-Software in der Kombination von Optimierungstechniken, Fuzzy Logic und Decision Support. Eine ordnungsgemäße Pozessführung wird dadurch sichergestellt, dass anlagenkritische physikalisch-technische Parameter in der Prozesskette kontinuierlich überwacht werden. So vermeidet man, dass eine Stabilisierungsmaßnahme in einem Punkt vielleicht dazu führt, dass an anderer Stelle unzulässige Grenzwerte überschritten werden. Treten in der Prozesskette oder an deren Ende nicht zulässige Abweichungen auf, so tariert Qualicision diese in der Prozesskette aus.

Organisationstalent

Ein weiterer Vorzug dieser Lösung ist, dass Berechnungen in verhältnismäßig kurzer Zeit erfolgen. Das wiederum verbessert das Anlagenreaktionsverhalten. Der Einsatz von Qualicision beschränkt sich allerdings nicht auf einen einmalig festgelegten Verwendungszweck. Vielmehr ist das Konzept so ausgelegt, dass es zur Lösung verschiedenster unternehmerischer Entscheidungsaufgaben herangezogen werden kann. Also auch in Fragen der Unternehmensorganisation mit solch unterschiedlichen Themen wie Standortentscheidungen oder Logistik. Fragen der Verfahrensoptimierung und der Rezeptauswahl oder noch "exotischere" Themen wie Kreditwürdigkeitsanalysen und Limit-Entscheidungen, gehören zu dem offen gehaltenen Katalog der Anwendungen. Es ist somit auch kein Problem, nachweisbar zu berechnen welcher Standort für eine Unternehmensansielung tatsächlich ideal ist, oder vielleicht, welche Substrate und Mischungsanteile für die Herstellung eines ganz bestimmten Gummipuffers erforderlich sind.