Business-Entscheidungen und Optimierungen mit Qualicision von F/L/S

Künstliche Intelligenz, Heft 4/2007

 

Angewandte Fuzzy-Modellierung für intelligenten Decision-Support

von Rudolf Felix

In Unternehmen werden täglich millionenfach Entscheidungen getroffen. Diese sind in mehr oder weniger stark formalisierten Geschäftsprozessen eingebunden, die bisher überwiegend nicht automatisiert ablaufen. Je weniger formalisiert die Geschäftsprozesse, desto stärker der Bedarf nach einer Systematisierung der Entscheidungsfindung. Überraschend ist, dass mit Hilfe der Qualicision®-Technologie eine automatisierte Entscheidungsfindung selbst in Geschäftsprozessen möglich ist, deren Formalisierung bisher nicht stark ausgeprägt ist.

Die fehlende Formalisierung von Geschäftsprozessen hat zwei wesentliche Ursachengruppen. Die eine Gruppe von Ursachen ist dadurch begründet, dass entscheidungsrelevante Daten mehr oder weniger gezielten Interpretationen unterzogen werden müssen, die unterschiedliche Formen von Unsicherheit nach sich ziehen. Die andere Gruppe von Ursachen für fehlende Formalisierung von Geschäftsprozessen ist die Komplexität der Geschäftsprozesse. Selbst wenn Entscheidungsgrundlagen vollständig bekannt und sogar quantifiziert sind, sie aber wechselseitigen Wirkungszusammenhängen ausgesetzt sind, entsteht eine hohe Entscheidungskomplexität. Die Entscheider sind gewöhnlich gezwungen, die Komplexität zu übergehen und unabgesichert zu entscheiden. Mit Hilfe der Qualicision®-Technologie lassen sich beide Arten von Entscheidungsunsicherheit behandeln und Entscheidungsprozesse auf eine formalisierte Basis stellen. Die Kategorie von Softwaresystemen, die mit Hilfe von Qualicision® entstehen, sind im Allgemeinen als Decision-Support-Systeme zu bezeichnen. Dabei sind Qualicision®-Systeme durch die Anwender konfigurierbar und an die Geschäftsprozesse anpassbar, ohne dass Softwareänderungen im Sinne einer klassischen Codierung nötig sind. Die Modellierung der Entscheidungsprozesse im Vorfeld der Integration der Lösungen in die IT-Umgebung der Anwender und bei der Anpassung erfolgt mit Hilfe des Tools Qualicision®-FDD.

Abgrenzung zu regelbasierten Systemen

Ähnlich wie bei klassischen regelbasierten Systemen wird das Entscheidungsprozesswissen von der Inferenzlogik getrennt, wobei mehrere grundlegende Unterschiede zu regelbasierten Systemen bestehen, die die Anwendbarkeit und die Komplexitätsbeherrschung durch die Qualicision®-Technologie betreffen. Zum einen werden die Abhängigkeiten zwischen den Entscheidungszielen und Entscheidungskriterien als Fuzzy-Mengen auf einen diskreten Raum von Entscheidungsalternativen definiert und in Form einer Matrix (Wirkungsmatrix) erfasst. Das führt dazu, dass die Zusammenhänge zwischen den Alternativen und Zielen sozusagen als Regeln mit einelementigen Prämissen und einelementigen Konklusionen repräsentiert sind. Durch diese Darstellung des Entscheidungswissens ist die Darstellungskomplexität nach oben durch m * n begrenzt, wobei m die Anzahl der Alternativen und n die Anzahl der Ziele sind. Zum anderen ist die klassische Inferenzlogik durch eine der Qualicision®-Technologie zugrunde liegende Zielkonfliktund Verträglichkeitsanalyse (KV-Analyse) ersetzt. Vereinfacht gesagt, wird aus der Wirkungsmatrix errechnet, welche Kombinationen aus den einelementigen Prämissen wie zusammenzusetzen sind, um die Entscheidungsziele möglichst genau abzudecken. Dadurch lässt sich gegenüber der regelbasierten Programmierung das Bilden der zusammengesetzten Regelprämissen durch Rechnen von Überdeckungen anhand von Informationen der Wirkungsmatrix weitgehend ersetzen. Der sonst notwendige „manuelle“ Modellierungsaufwand des Wissensträgers wird bei Qualicision® durch Rechnen ersetzt, also vom Menschen in die Maschine verlagert. Die KV-Analyse ist eine heuristische Prozedur, die Elemente der Theorie der Fuzzy-Mengen, wie Fuzzy-Prädikate und Fuzzy-Relationen, nutzt. Die Komplexität der KV-Analyse ist quadratisch in Abhängigkeit von m und n und begrenzt die kombinatorische Explosion, die entsteht, wenn äquivalentes Entscheidungswissen klassisch (ob fuzzy oder nicht) regelbasiert darzustellen ist.

Abgrenzung zu Aggregationsoperatoren

Das durch die KV-Analyse vorstrukturierte Entscheidungswissen wird genutzt, um auf der Menge der Entscheidungsalternativen ein Ranking zu bestimmen. Dieses Ranking wird durch die sogenannte KV-Synthese berechnet, die theoretisch betrachtet eine Aggregationsprozedur ist, die mit Fuzzy-Aggregationsoperatoren von der Schnittmengenbildung über OWA und WOWA-Operatoren und Fuzzy-Interpretationen verglichen werden kann, diesen aber nicht gleichzusetzen ist. Der Unterschied ist, dass Qualicision® auch negatives Entscheidungswissen, also Warnungen und Verbote, verarbeitet. Insofern ist die Entscheidungsaggregation nicht nur ein Abwägen zwischen „und“ sowie „oder“, sondern darüber hinausgehend zusätzlich zwischen „und“, „oder“ sowie „entweder-oder“. Dementsprechend sind Entweder- Oder-Situationen, also Zielkonflikte modellierbar. Formal ist diese Modellierbarkeit durch die Anwendung des Konzeptes der Fuzzy Mengen- Operationen und Fuzzy-Relationen für die Berechnung der Entscheidungsaggregation gegeben. Die Qualicision®-Technologie ist eine kombinierte Anwendung diverser Elemente der Theorie der Fuzzy-Mengen. Zugleich ist die Möglichkeit, auch Warnungen und Verbote direkt zu repräsentieren, eine Erweiterung. Genauer gesagt, ist Qualicision® eine alternative Methode zu den bekannten Methoden der (Fuzzy) Entscheidungsunterstützung mittels Aggregationsoperatoren und Kriterienaggregation.

Abgrenzung zu Optimierungsverfahren

Sind die mit Qualicision® berechneten Entscheidungen in iterative Prozesse eingebunden und beziehen sich die Entscheidungen auf die Festlegung von Suchrichtungen in Suchräumen, so lassen sich Qualicision®-basierte Such- und Optimierungsverfahren entwickeln. Gegenüber bestehenden Such- und Optimierungsverfahren, etwa der linearen und nicht linearen Programmierung (ob fuzzy oder nicht) oder gegenüber Verfahren, die auf Fitnessfunktionen aufbauen, lassen sich hier sehr vorteilhafte Effekte erzielen. Der wichtigste Vorteil besteht darin, dass die klassischen Verfahren von vereinfachten Annahmen über die Beziehungsstruktur der Such- oder Optimierungsziele ausgehen. Verfahren der linearen oder nichtlinearen Programmierung gehen von der impliziten Annahme aus, dass alle Optimierungsziele (-funktionen) wechselseitig konkurrieren, weil sie als eine Zusammenstellung von Restriktionen aufgefasst werden. Verfahren, die Fitnessfunktionen verwenden, arbeiten mit gewichteten Summen aus einzelnen Optimierungsfunktionen und aggregieren daher summarisch, d.h. unter der Annahme, dass die Optimierungsziele paarweise unabhängig sind. Qualicisionbasierte Verfahren treffen dagegen keine Annahmen über die Beziehungsstruktur der Optimierungsziele, sondern berechnen die Beziehungsstruktur mit Hilfe der KV-Analyse direkt. Das heißt, dass die Entscheidungsaggregation während der Laufzeit der Optimierung oder der Suche die Annahme-Realität-Ungenauigkeiten maßgeblich reduziert. Das ist auch der Grund, warum sich Qualicision®-basierte Optimierungen in unterschiedlichen Benchmarks im Rahmen von Schedulingund Reihenfolgeoptimierungen durchgesetzt haben.

Qualicision®-Lösungen in der Praxis

Qualicision® kann sowohl in kontinuierlichen als auch in diskontinuierlichen Prozessen mit oder ohne Rückkopplung eingesetzt werden. Je kontinuierlicher der Geschäftsprozess, in dem Qualicision® zum Einsatz kommt, desto mehr übt die Anwendung Funktionen im Sinne von Steuern und Regeln aus oder arbeitet als ein Optimierungsverfahren. Je diskontinuierlicher der Geschäftsprozess, desto mehr bewegt sich die Anwendung in den Bereich der Entscheidungsunterstützung. Die Grenzen zwischen diesen Anwendungskategorien sind fließend und in der Praxis geschäftsprozessabhängig bestimmbar. Ein Beispiel einer Qualicision®-Anwendung ist die Planung und Steuerung des Prozesses der Automobilherstellung. Hier entsprechen die Entscheidungsziele im Wesentlichen den Optimierungszielen bezüglich Auslastung, Produktionsrestriktionen, Lieferzeiten und Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Produktionsbereichen des jeweiligen Werkes, wie Rohbau, Lackiererei, Montagelinie und den Lägern zwischen den Produktionsbereichen. Weitere Beispiele für Anwendungen finden sich im Finanzsektor, zum Beispiel die Berechnung der Limite in Faktoring-Geschäftsprozessen, bei denen über den Ankauf von Forderungen entschieden wird. Beim Faktoring entsprechen die Entscheidungsziele den unterschiedlichen Risiko-Kategorien und Indikatoren, mit deren Hilfe Risiko-Klassen und damit Limitbeträge für die anzukaufenden Forderungen gebildet werden können. Die Entscheidungsalternativen entsprechen Limitstufen, die der Limitanfrage zugeordnet werden, die der Kunde stellt. Ein weiterer Anwendungsbereich für Qualicision® ist die digitale Bildverarbeitung für Geschäftsprozesse der Materialflussüberwachung und der Qualitätskontrolle. Hier wird Qualicision® zur Objekterkennung und zur Qualitätsprüfung in der Produktion eingesetzt. Entscheidungsalternativen sind hier zu erkennende Objekte oder die zu bestimmenden Qualitätsstufen. Die Entscheidungsziele sind die Charakteristiken, anhand derer die Objekterkennung oder die Qualitätseinstufung durchgeführt wird.

Das Unternehmen

Die F/L/S Fuzzy Logik Systeme GmbH wurde 1992 mit Sitz in Dortmund gegründet und entwickelt kundenspezifische Lösungen auf Basis der Qualicision®-Technologie in den Bereichen Automation, industrielle Bildverarbeitung, Logistik und Business-Entscheidungen.

Kontakt

 

Dr. Rudolf Felix
F/L/S Fuzzy Logik Systeme GmbH
Joseph-von-Fraunhofer-Str. 20
44227 Dortmund
Tel.: +49 (0)231 9700921
Fax: +49 (0)231 9700929
Email: info@fuzzy.de
www.fuzzy.de
www.qualicision.de
Rudolf Felix Jahrgang 1960. Studium der Informatik und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Dortmund. Promotion auf dem Gebiet Decision Support Systeme und Fuzzy Logik. Gründung der F/L/S Fuzzy Logik Systeme GmbH 1992 mit Sitz in Dortmund und Weiterentwicklung der F/L/S-eigenen Qualicision®-Technologie. Zahlreiche einschlägige Publikationen.