Produktionsoptimierung mit Fuzzy-Logik

IT & Production, Ausgabe II/2002

Produktionsoptimierung mit Fuzzy Logik
Präzise Informationen mit "unscharfen" Mitteln

Dr. Rudolf Felix

Entscheidungen entstehen auf der Basis von Informationen. Menschen haben den Vorteil der Intuition, Maschinen beherrschen Komplexität mit Rechenleistung. Beides zu verbinden versucht die Fuzzy Logik, die auch in der Produktionsplanung eingesetzt werden kann.

Anfang der 90er-Jahre war die Fuzzy-Logik "der IT-Renner" und sie wurde fast schon als das Allheilmittel gesehen, mit dem man in der Zukunft alles Mögliche steuern, regeln und automatisieren könne. Die Realität zeigte jedoch recht bald, dass viele der angekündigten Meilensteine nie erreicht wurden. So wurde es dann in der Mitte der letzten Dekade auch etwas ruhig um Fuzzy. Man hörte vielleicht von Haushaltsgeräten oder anderen, "überschaubaren" Anwendungen, in denen es die Logik der "unscharfen Annahmen" zu Serienreife gebracht hatte. In industriellen Produktionsprozessen und -anlagen jedoch, wo Rechner und Software stets höchst performant laufen müssen, werden Fuzzy-Konzepte eingesetzt, was in Endprodukten nicht erkennbare sein kann und von den Anwendern auch bewusst nicht öffentlich gemacht wird, um Wettbewerbsvorteile zu sichern.

Vorreiter Automobilbau

Die Reduktion von Daten bei steigender Entscheidungskomplexität gewinnt bei anspruchsvollen Produktionsprozessen immer starker an Bedeutung. Mit ihr sinkt konsequenter Weise auch das Fehler-Risiko, weil unbedeutende Daten nicht weiterverarbeitet werden. Moderner Fuzzy-Lösungen selektieren Daten zunächst nach ihrer Bedeutung und Notwendigkeit, um sie mit optimierten Algorithmen schnell zu bearbeiten.

Eine Felge beispielsweise, die verwendet werden kann, muss bestimmte Charakteristiken erfüllen wie zum Beispiel Form und Struktur oder die Oberflächenbeschaffenheit. Diese Informationen können über ein Bildverarbeitungssystem in einer Datenbank hinterlegt werden und als "ok-Vorlagen" definiert werden. Kommt nun im Verlauf der weiteren Verarbeitung eine Felge vor das Objektiv des Bildanalyse-Systems, vergleicht das System das aktuelle Bild mit den Beispielen aus dem Archiv. Stimmt beispielsweise das Speichenmuster der Alu-Felge mit dem Referenz-Muster überein, dann wird das Teil zur weiteren Verarbeitung freigegeben.

Die Analysezeit wird durch dieses Verfahren praktisch immer kleiner sein können als die Taktzeit der Maschine. Würde man analytisch mit Messwertverfahren vorgehen, wäre zunächst die Aufnahme von Referenzpunkten erforderlich. Sie würden alleine dazu dienen. die einwandfreie Lage des Prüflings sicher zu stellen. Im nächsten Schritt müssten dann, mit Hilfe numerischer Rechenmethoden die erforderlichen Werte berechnet werden. Das hat nicht allein einen großen Aufwand in Bezug auf Rechenleistung zur Folge, sondern in die Beschreibung und Prüfung der numerischen Modelle, muss vor Allem im Vorfeld viel Arbeit für die Modellierung investiert werden.

Maschinelle Kontrolle nach Augenmaß

Wie ein erfahrener Maschinenbediener selektiert das Qualicision Softwaretool Qualicision FDD® (FuzzyDecisionDesk®) also mit "Augenmaß" beispielsweise einfach nach "ok", "prüfen" oder "verwerfen" - ohne überflüssigen Rechenbalast. Qualicision "spiegelt" somit das Wissen und das Entscheidungsvorgehen der Spezialisten auf Festplatte.

Dieses Know-how wird in kunden- und anwendungsspezifischen Katalogen strukturiert, protokolliert und abrufbar gemacht und dies unabhängig von seinem Einsatzbereich. Egal ob es sich um die Felgenselektion, die Produktionsplanung eines Automobilwerkes oder die Kreditempfehlung für einen Privatkunden handelt. Analog zur menschlichen Denkstruktur findet bei Qualicision am Anfang eines Entscheidungsprozesses eine Selektion von Datenarten statt.

Informationen, die für eine Berechnung unnötig sind, werden von vornherein ausgeschlossen und gar nicht erst in die Datenverarbeitung mit einbezogen. Wie die Konzentration auf das Wesentliche aussehen kann, zeigt beispielhaft die Felgenmontage. Die Software wird beispielsweise in der Produktionsplanung der Automobilindustrie bei BMW zur Produktionsoptimierung weltweit eingesetzt.

Individuelle Produktion

Individualität für den Kunden hat seinen Preis bei der Produktion. Weil es wohl kaum noch ein Auto gibt, das einem anderen "auf das Haar" gleicht, ist es unvermeidbar, dass jedes einzelne Auto "seinen" eigenen Produktionsplan erhält. Er muss gereriert und in einen übergeordneten Produktionsplan eingebettet werden, der schließlich optimal in die Wochen-, Tages- oder Schichtplanung hineinpasst. Da ist der schmucke Holz-Lenker mit integrierter Telefonbedienung, der vielleicht drei Minuten mehr als das griffige Kunststoff-Standart-Modell kostet. So ist der Katalog der Varianten doch richt umfangreich.

Beim 3er BMW sind es 40.564.819.207.303.340.847.502.572.032 verschiedenen Autos, die hergestellt werden könnten - rein theoretisch. Hier eine optimale Produktionsführung und Schichtauslastung zu erlangen bedarf einer Reihe von miteinander vernetzter Entscheidungen, die in kürzester Zeit getroffen werden müssen. Welche Bedeutung die Abwägung und Berücksichtigung der verschiedensten Parameter für eine Produktion haben, zeigt sich nicht allein in den reinen ausstattungstechnischen Komponenten, sondern auch bei Fragen der Festlegung von Produktions-Reihenfolgen während einer Schicht oder zwischen Reinigungs- und Überholungsintervallen der Anlage.

Richtet man beispielsweise den Blick auf die Lackiererei, dann wird ein Planungsproblem deutlich, an das man als Branchenfremder vermutlich gar nicht denken würde: nämlich die Rehenfolge der zu verarbeitenden Lackfarben. Damit hier die hohe Qualität sichergestellt wird und das Risiko von statistisch nie auszuschließenden Nachbesserungen minimal gehalten wird, werden auch verschiedene Regeln und Erfahrungswerte der Praktiker beachtet, die bei Qualicision auch für die Entscheidungen hinterlegt sind, nämlich so, dass einer schwarzen Karosserie nie eine Weiße folgt, oder dass eine Serie von Karosserien mit Metallic-Lackierungen nicht durch einen Standard-Lack unterbrochen wird.

Da die Puffer-Kapazitäten in der Produktion minimal gehalten werden müssen und meist eigentlich nur für Produktionsunterbrechungen in einzelnen Sektionen vorgesehen sind, bleibt meist kaum noch Luft, während des Betriebes umdisponieren zu können. Die Planung und Produktion müssen demzufolge "punktgenau" aufeinander abgestimmt sein. Das heißt am Beispiel der Lackierstraße, dass diese - neben anderen - Rahmenbedingungen einen dominanten Einfluss auf die Festlegung der Reihenfolge der herzustellenden Fahrzeuge während einer Schicht oder Fertigungs-Sequenz hat. Diese Maßgabe hat ihrerseits wiederum einen unmittelbaren Einfluss auf die Zusammensetzung des Herstellungsplanes einer Schicht.

Komplexitätsreduktion

Aus Sicht der Entscheidungsfestlegung und mit Blick auf die Anzahl der möglichen Varianten, bedeutet das, eine "Komplexitätsreduktion" im Griff haben zu können und dennoch bei Variationen schnell und qualitative gleichwertig Entscheidungen herbeiführen zu können. Auch das Wechselspiel zwischen Produktmarketing, Kunden wünschen, Lieferzeiten und Produkion sowie Auslieferung, zwingt förmlich zur Schnelligkeit.

Wurden bis vor zehn oder 15 Jahren die Bestellungen für ein Auto einmal aufgenommen, dann wurde es Monate vor seiner Fertigung und dem Verkauf festgelegt und für die Produktion disponiert. Heute jedoch, kann der Kunde einer Limousine der gehobenen Mittel- oder Oberklasse auch noch nach der Unterschrift des Kaufvertrages - und damit mit dem Eingang in die Produktionsplanung - Änderungswünsche in Auftrag geben.

Es sind aber nicht allein die rein technologisch-organisatorischen Aspekte, die für eine derart filigrane und ausgewogene Produktionsplanung sprechen. Es geht auch um die bestmögliche Gestaltung der Arbeitsprozesse für die Arbeitnehmer selbst. Denn eine Produktion, die im Bereich einer Fertigungsstraße auf einen optimalen Mix hin ausgerichtet ist, reduziert Monotonie und verbessert damit die individuelle Leistung.

Die Fähigkeit, höchst komplexe Prozesse mit schier unendlichen Interdependenzen zu beherrschen und sie schnell in einen zuverlässigen und wirtschaftlichen Produktions- oder Entscheidungsprozess zu überführen sind die Aufgaben des Qualicision Qualicision FDD® (FuzzyDecisionDesk®).