Mit unpräzisen Annahmen treffsicher arbeiten

EML, Ausgabe 7/8 2002

von Herbert J.Joka

Lösungsmethoden mit Elementen der "unscharfen" Logik - kurz Fuzzy genannt - beweisen heute ihre Reife in Unternehmensprozessen. Ob bei der Produktion, Automatisierung von Prozessen, der Qualitätssicherung, Logistik oder anderen Business-Prozessen, eines steht immer oben an: Kontinuierlich gute Entscheidungen zu treffen. Je schneller und präziser das geht, umso besser.

Nicht selten kommt es aber vor, dass für eine Entscheidung entweder nur unzureichende Informationen vorliegen oder schlichtweg viel zu viele. Beim Mangel an quantifizierbaren Vorgaben "tappt man im Dunkeln" und bei zu vielen hat man nicht selten ein echtes IT-Problem. Entweder geht der Rechner in die Knie oder er braucht für die Rechenoperationen zu lange, um beispielsweise die Produktion mit Steuerungswerten stabil zu "futtern". Letztendlich gilt, mit wachsender Zahl der zu berechnenden Parameter steigt der Aufwand exponentiell an...

Es bleibt vielfach im betrieblichen Alltag häufig nur die Lösung, einen vermeintlichen "Kompromiss" eingehen zu müssen. Nämlich mit dem zu arbeiten, was man an Daten hat oder die Datenflut zu reduzieren.

Die traditionellen Denkansätze stehen der Nutzung moderner Lösungsmethoden nicht selten im Wege, weil sie unvertraut sind. Man denke nur an die Neigung im Börsengeschäft der letzten zwei Jahre, Gewinnerwartungen linear extrapolierten zu wollen und damit in Business-Plänen zu arbeiten oder das absolut präzise Ergebnis bis zur 8. Stelle nach dem Komma errechnen zu wollen, um sicher zu sein.

Nun ja, es geht auch leichter und schneller!

Mit Qualicision Decision Desk der Fuzzy Logik Systeme GmbH in Dortmund ist eine Software Plattform geschaffen worden, die ihre "betriebliche Feuertaufe" längst in den verschiedensten Branchen bestanden hat. Ob bei Automobilherstellern wie BMW, Audi oder VW selbst, Reifenherstellern wie Continental und Uniroyal oder Banken wie der CC Bank AG oder der Heller Bank.

Der Kern des universellen Lösungsansatzes und unternehmerischen Einsatzes liegt darin, dass es dem Tool schlichtweg egal ist, welche Daten es verarbeitet. Das können Daten für die Produktionssteuerung (PPS) und im Bereich der Automatisierung sein, Bilddaten für die Bildverarbeitung, die bei der Qualitätssicherung (QS) herangezogen werden oder auch Finanzdaten, die letztlich für die Entscheidung über einen Kredit herangezogen werden.

Die individuelle Lösung wird nämlich über die Gestaltung der "Nutzerschnittstelle" ermöglicht. Soll heißen, dass der Anwender eine Art von Bibliothek (Library) von Entscheidungskriterien, Bewertungsmassstäben und Lösungswegen erstellt und implementiert, mit denen dann über den Kern, die Fuzzy-Algorithmen, ein Ergebnis berechnet wird, das für den Anwendungszweck entsprechend nutzbare Daten (Lösungen) generiert.

Beispiel Qualitätssicherung und Rädermontage

Fahrwerke von Automobilen sind hochsensible mechanische Einheiten, deren Aufgabe es ist, die Unebenheiten der Strasse aufzufangen. Schlaglöcher, Bodenwellen oder Beschaffenheit des Straßenbelages sollen so kompensiert werden, dass die Karosserie keinem mechanischen Dauerschwingversuch ausgesetzt wird und die Passagiere nicht selbst vibrierend befördert werden. Eine Grundvoraussetzung dafür ist die Schnittstelle mit der Strasse. Das Rad, das aus Felge und Reifen besteht, es muss gut ausgewuchtet sein, darf also möglichst keine oder nur eine minimale Unwucht vorweisen. Sicherlich, die Auswuchtgewichte sind ein Weg für Fahrkomfort zu sorgen, aber die Paarung von Felge und Reifen sind der andere Weg, der bei der Herstellung eines Neuwagens gegangen wird. Würde man beispielsweise die Geometrien beider Teile jeweils individuell vermessen und rechentechnisch auswerten wollen, so hieße das, mehr Zeit einplanen zu müssen. Vielleicht sogar den Montageprozess kostenaufwändig zu parallelisieren.

Mit dem Qualicision Decision Desk ist jedoch ein System sicher eingeführt worden, das es erlaubt, die geeignete Felge und den passenden Reifen zügig und treffsicher miteinander optimal zu paaren. Und das "ruckzuck". Das Geheimnis liegt darin, dass in der bereits erwähnten Library hergestellte Teile abgespeichert sind, die als "gut" oder "schlecht" definiert sind. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes von einem Fachmann zuvor "beurteilt" und als "Musterbilder" genau kategorisiert worden. Wenn nun das Bildverarbeitungssystem die Felge ins Visier nimmt, wird beispielsweise durch einen Vergleich zunächst geprüft, um welches Modell es sich handelt und auch, wo das Ventilloch positioniert ist. Denn selbst im besten Materialfluss kann es passieren, dass einmal ein falsches Teil zugeführt wird. Eine andere Felge würde "komisch aussehen" und vor allem unnötige Kosten verursachen. Im nächsten Schritt werden so genannte charakteristische Werte aufgenommen, die sicherstellen, dass bestimmte geometrische Daten den Vorgaben entsprechen und die Freigabe für die Weiterbearbeitung erfolgt. Analog wird bei der Zuführung des Reifens verfahren, sodass danach ideale Kombinationen zu Stande kommen.

Es ist genau dieser "menschliche Vergleich", Dinge in bestimmten Grenzen aus einer Muster-Betrachtung heraus als "gut" und damit verwendbar zu klassifizieren bzw. nicht zutreffende Teile zu verwerfen. Genau das geht nach dem Lernprozess sehr schnell, ohne zu großen Rechenaufwand. Die Leistung des Tools liegt unter anderem darin, in optimaler Weise die hinterlegten Beurteilungsmuster "hochzuladen", mit dem realen Bauteil zu vergleichen und Variationen, die zwischen vorgegebenen Mustern liegen, zu ermitteln. Denn, alle Abweichungsmöglichkeiten vorab zu definieren und zu hinterlegen, hieße für einen erhöhten Rechenaufwand an anderer Stelle zu sorgen.

Produktionsplanung

Sehr sensibel ist die Steuerung einer Produktion von Autos. Nicht allein, dass die Anlagen- und Betriebskosten immens sind, sondern vor allem, dass die Wünsche der Kunden gemäss der Bestellung aufgenommen und ausgeführt werden. Betrachtet man die Varianten und Optionen, die man beim Kauf eines Automodells erhalten kann, so ergibt sich beispielsweise beim 3er BMW die theoretische Zahl von 40.564.819.207.303.340.847.894.502.572.032 Varianten. Wenn vor diesem Hintergrund ein Produktionsprozess nicht präzise geplant wird und so funktioniert, braucht man die Konsequenzen für die Zulieferunternehmen wohl nicht weiter zu beschreiben.

Der Qualicision Decision Desk ist nun seit dem Dezember 2001 in allen BMW-Werken weltweit als Standardsystem zugelassen und implementiert. Hier liegt die Aufgabe des Systems darin, die Produktion von Fahrzeugen über eine oder mehrere Betriebsschichten so zu organisieren, dass ein "guter Mix" erreicht wird. Damit ist gemeint, dass die Fahrzeugvarianten der in jeweils einer Linie zu fertigenden Fahrzeuge während eines definierten Zeitraumes ausgewogen gemischt werden. Würde ein Montage-Team beispielsweise in einer Schicht nur Rechtslenker-Fahrzeuge mit umfangreicher Ausstattung produzieren müssen, so wäre die Folge, dass neben dem fahrzeugbezogenen hohen Zeitaufwand die Mitarbeiter einer hohen Konzentrationsbelastung ausgesetzt wären. Die Leistung würde ab einem bestimmten Punkt unter Normal abfallen. Zudem würde der Eingewöhnungsprozess dazu führen können, anfänglich Schwierigkeiten bei der Montage anderer Modelle zu erleben. Nur diese Art der Abwechslung und der Ausgleich der Anforderungen kann zu einer konzentrierten und dauerhaft guten Arbeit führen. Zugleich auch zu einer ausgeglichenen Anlagenführung.

Der Qualicision Decision Desk sorgt nun dafür, dass genau dieser Ausgleich, die Harmonisierung des Produktionsflusses zu einem Höchstmass erreicht werden kann. So werden neben der reinen Montage auch in den Lackierstrassen "eherne Praktiker-Regeln" beachtet, dass beispielsweise nach einer weißen Karosserie keine Schwarze folgen sollte (und umgekehrt), weil das einen Einfluss auf die Lackierqualität haben könnte. Und im übergeordneten Blick werden auch die logistischen Rahmenbedingungen berücksichtigt. Das heißt auch die Just-in-Time-Lieferungen werden mittelbar über das System beeinflusst.

Kreditwürdigkeitsanalyse

Wie lässt sich nun aber der Bogen zum Kreditgewerbe schlagen - mit der gleichen Plattform? Auch hier wieder der Blick auf den Menschen und seine Fähigkeit, entscheiden zu können. Ohne gleich tief in die allerletzte Analyse oder theoretische Begründung einsteigen zu müssen.

Bei den Finanz- und Business-Applikationen sind es keine Reifenprofile, Ventildurchlässe oder abgerundete Speichen, die aus dem Musterkatalog abgerufen werden, sondern andere Kriterien. Kriterien, die durch den Kunden, also die Bank oder das Kreditinstitut definiert und vom Berater genutzt werden. Hier kommen Parameter wie Einkommen, frühere Arbeitsplatzwechsel, Haus- und Grundbesitz oder Familienstand zur Geltung. Geht es z.B. im Vergleich darum, dass ein gut verdienender Single einen Kredit aufnehmen möchte, um eine Yacht zu erwerben, oder der Lagerist, gerade in neuer Stellung, direkt einen großvolumigen Neuwagen, so kommen ganz bestimmte Betrachtungsweisen und Beurteilungskriterien zum Tragen. Sie zeichnen sich durch eine uneingeschränkt individuelle Behandlung aus, die mit Qualicision dennoch DV-technisch mit absolut verifizierbaren Aussagen spiegelbar ist. Zudem bringt es der Einsatz des Systems mit sich, dass Berater automatisch routinierter werden. Sie werden unterstützt und kontinuierlich geschult, bessere Entscheidungen zu treffen.

Der internet-basierte Einsatz der Software ist selbstverständlich und wird bereits im Bereich des Geschäftskunden-Services von Finanzinstituten eingesetzt. Über das Internet kann ein Unternehmen, dass seine Forderungen an eine Bank verkauft hat, dort beispielsweise seinen Kreditrahmen selbst berechnen, ohne einen Berater bemühen zu müssen. Für Grenzfälle ist auch gesorgt. Sind keine eindeutigen Aussagen vom System möglich, verweist es an den Berater der Bank oder des Finanzdienstleisters.